Ein Team von EonA und TSB|AWF besuchte heute den türkischen Schlachtbetrieb Torku Et in Konya. Torku Et ist ein genossenschaftliches Schlachthaus mit über 16.000 Landwirten. Wir trafen uns mit dem Schlachthofleiter und dem Chefveterinär, um mit ihnen über aktuelle Tierschutzthemen zu sprechen. Unter anderem haben wir ihnen unsere Lehrbroschüre vorgestellt und diverse Lehrvideos gezeigt. Ein reger Informationsaustausch fand statt.
Unsere Lehrbroschüre gefiel ihnen gut und sie erzählten uns mit Stolz, dass sie bereits einen Großteil der Anregungen in die Praxis umgesetzt haben. Erst vor 2 Jahren wurde ihre Anlage neu gebaut, daher ist sie relativ modern. Vor dem Bau hatten sie sich bei diversen Betrieben im Ausland Anregungen geholt. Der Qualitätsmanager freute sich über unseren Besuch und wollte hören, ob noch Verbesserungsbedarf in ihrer Anlage besteht. Diese Offenheit und Bereitschaft für Verbesserungen schätzen und respektieren wir sehr.
Die Entladerampe hat schützende Seitenwände die sich an jede LKW-Größe anpassen lassen, so dass hier keine Verletzungsgefahr besteht. In den Wartepferchen gibt es Schatten und Wasser. Überall wurden Anti-Rutsch-Böden verlegt, damit die Tiere nicht mehr ausrutschen.
Die Treibgänge sind jetzt in „S“-Form konstruiert wie es von Experten wie Dr. Temple Grandin gefordert wird, so dass sich die Tiere nicht mehr gegenseitig verletzen und aufeinander aufspringen können. Die Seitenwände der Treibgänge sind geschlossen und blickdicht, was den Stress mindert. Der Eingang zur Betäubungsbox ist beleuchtet und ein Sichtschutz wurde angebracht, um den Schlachtprozess vor den wartenden Tieren zu verdecken. Diese Maßnahmen erleichtern den Tieren die Vorwärtsbewegung. Wird bei der Planung eines Schlachthofs das Verhalten der Tiere mit aufgenommen, so verhalten sich die Tiere deutlich ruhiger und die Mitarbeiter müssen weniger Druck ausüben (unnötiges Schlagen entfällt).
Im Schlachthaus wird mit zwei Rückhalteboxen gearbeitet die um 180 Grad rotieren, so dass die Rinder auf dem Rücken liegen. In dieser Position wird den Tieren der Entblutungsschnitt gesetzt. Wir befürworten die 180°-Rückhalteboxen nicht, da die Tiere in eine extreme Stresssituation geraten. Schon nach kurzer Zeit in Rückenlage drückt ihr Eigengewicht auf die Lunge und führt zu Atemnot. Zudem sind sie beim Entblutungschnitt, der sehr schmerzhaft ist, bei vollem Bewusstsein. Hier würde es helfen, die Rückhaltebox nur um 30-45 Grad zu kippen. Trotz allem ist diese Medthode weitaus besser als die schrecklichen Fallboxen die wir in vielen anderen türkischen Schlachthäusern vorgefunden haben. In den Fallboxen leiden die Tiere imens. Sie werden bei vollem Bewusstsein an einem Hinterlauf mit Hilfe einer Kette in die Höhe gezogen.
Ist der Entblutungsschnitt gesetzt, geht die Rückhaltebox auf und die Tiere fallen heraus. Die Arbeiter warten dann noch eine Minute bevor sie die Tiere am Hinterlauf hochziehen. Aber wir sehen immer wieder Rinder die diese Prozedur bei vollem Bewusstsein miterleben. Das liegt an der Wirbelsäulenarterie, die trotz Kehschnitt das Gehirn weiterhin mit Sauerstoff versorgt. Deshalb bleiben Rinder noch minutenlang bei vollem Bewusstsein. Wenigstens warten die Arbeiter mit der Weiterverarbeitung des Rindes, bis kein Lebenszeichen mehr da ist. Hierfür prüfen sie die Augenlidreflexe.
Für Notfallschlachtungen gibt es einen separaten Eingang. Der Kopfschlachter ist zu jeder Zeit verfügbar, um kranke oder verletzte Tiere sofort schlachten zu können. So müssen sie sich nicht noch länger quälen. Diesen Tieren wird auf dem Transporter der Entblutungsschnitt gesetzt und erst dann werden sie aus dem Transporter gezogen. In vielen anderen türkischen Schlachthäusern, die EonA und TSB|AWF besucht haben, werden Downer bei vollem Bewusstsein aus dem Transporter gezogen, aufgehängt und erst dann wird ihnen der Kehlschnitt gesetzt. Das ist äußerst verstörend und unerträglich mitanzusehen. Im Schlachthaus hier sind sie deutlich rücksichtsvoller.
Leider wollen sie keine Betäubung der verletzten Tiere, da diese sowieso schon geschwächt sind und dabei sterben könnten. Dann wäre ihr Fleisch nicht mehr Halal. Unser Team, das aus zwei Muslimen besteht, erklärte ihnen aber, dass die Betäubung die Tiere nur schmerzunempfindlich machen soll und das Tierwohl ein essentieller Bestandteil von Halal ist. Einem Tier bei der Schlachtung unnötig Schmerzen zuzufügen entspricht auch nicht den Regeln des Halal.
Alle Mitarbeiter sind angewiesen so wenig wie möglich Elektrotreiber zu benutzen. Bei unserem Besuch wurden diese gar nicht eingesetzt. Die Tiere werden durch Geräusche oder leichte Klappse auf die Hinterhand vorangetrieben. Die Treibflaggen aus dem OIE-Trainingsvideo wollen sie so bald wie möglich bestellen, da sie von ihnen begeistert waren.
Dieser Schlachtbetrieb ist der Beste den wir bisher in der Türkei gesehen haben. Dort wurden viele Lösungen umgesetzt, die das Tierwohl verbessern und sie sind sogar bereit für weitere Verbesserungen. Mr. Serhat Demirhan (Direktor), Mr. Engin Ayvaz (Leiter Frischfleisch) und Mr. Hasan Koca (Qualitätsmanager) können stolz sein.
Über weitere Verbesserungen haben wir auch gesprochen. Zum Beispiel ist der Weg zum Treibgang noch ohne eine Anti-Steig-Vorrichtung und solide Wände. Deshalb besteht hier noch Verletzungsgefahr. Die Geschäftsleitung und der Veterinär stimmten uns hier zu und wollen diese kurzfristig nachmontieren lassen. Ein weiterer Punkt ist der Lärm durch Transporter, Maschinen, Metalltore und die große Anzahl von Menschen. Lärm, vor allem plötzlich auftretender, verursacht durch Geschrei oder angehende Maschinen, verunsichert die Tiere die in der neue Umgebung sowieso schon nervös sind. Hierfür haben wir das Anbringen von Gummistoppern an allen Metalltoren empfohlen. Zudem sollten alle Personen darauf hingewiesen werden, sich in der Anlage ruhig zu verhalten.
Unseren Besuchtsbericht werden wir ihnen zusenden und mit ihnen weiterhin in Kontakt bleiben. Wir wollen sie dazu animieren auf eine Rückhaltebox ohne Rotation umzusteigen und die vorherige Betäubung der Tiere zu akzeptieren. Und auf lange Sicht sollten verletzte Tiere gar nicht erst zur Notschlachtung gebracht werden, sondern auf den Betrieben euthanasiert werden. Selbst in Europa und Nordamerika gibt es aber hiefür noch keine Regelung. Hier eine Lösung zu finden wird noch einige Zeit dauern. Aber wir geben nicht auf und es freut uns sehr, dass es in der Türkei einen so vorbildlichen Schlachthof gibt.