Unser EonA/AWF-Team trifft sich heute mit dem Direktor eines türkischen Schlachthofes, der es uns ermöglicht die Entladung und das Schlachten der Rinder in seinem Betrieb zu beobachten. Er ist an unseren Ideen und einer Zusammenarbeit mit uns interessiert. Sein Schlachthof bezieht viele Rinder aus der EU. Er schildert uns, dass einige Tiere in sehr schlechtem, vor allem dehydriertem Zustand bei ihm ankommen. Das würde man beim Schlachten sehen. Die Lungen würden einfach auseinanderbrechen, so ausgetrocknet seien sie. Er nennt uns einige Transportfirmen, die Tiere in schlechtem Zustand anliefern. Uns überraschen die Speditionsnamen nicht– sie entsprechen weitgehend denen, die wir in unserem Bericht an die EU aufgelistet haben. Der Direktor würde es begrüßen, wenn in seinem Schlachthof die Tiere betäubt würden, es sei aber nicht erlaubt. Die Kunden befürchten, dass das Fleisch dann nicht Halal sei. Der Schlachtprozess in diesem Schlachthof verläuft insgesamt ruhiger, einfach deshalb, weil alles langsamer geht. Es wird ein Tier nach dem anderen in die Tötungsbox gebracht. Wir beobachten dennoch einige Arbeiter dabei, wie sie die Tiere falsch behandeln. Zum Beispiel wird einem Bullen der Schwanz verdreht als er zögert in die Tötungsbox zu laufen – das ist sehr schmerzhaft (siehe Foto unten). Der Bulle fällt darauf hin (siehe zweites Foto unten), wohl auch, weil ein Hinterbein verletzt ist. Anschließend wir er an diesem Hinterbein per Kette bei vollem Bewusstsein in die Luft gezogen, ohne Betäubung.
Es ist nicht vorstellbar, welche Schmerzen das Tier ertragen muss, 600-800 kg hängen an einem angeketteten Bein. Der Boden des Treibgangs ist trotz Anti-Rutschoberfläche glitschig, weil er über und über mit Kot und Urin bedeckt ist. Aufgrund der langsamen Arbeitsweise fielen die Tiere nicht so häufig hin wie in den vorherigen Schlachtbetrieben. Während unseres Aufenthaltes im Schlachthof kommt ein Inlandtransporter mit Bullen und einer Kuh an. Alle Tiere sind angebunden, viele Tiere liegen am Boden. Die Kuh ist unter den Bullen begraben und kann nicht mehr aufstehen. Beim Versuch aufzustehen entgleiten ihre Hinterläufe. Ihre Hüfte sieht verschoben aus. Die Arbeiter ziehen die Bullen aus dem Transporter. Diese wehren sich natürlich, weil es viel zu schnell gehen soll. Ein Bulle stolpert und knickt mit seinen Vorderläufen ein (siehe Foto ganz oben). Es war schmerzhaft mitanzusehen. Viel besser ist es, die Tiere alleine aussteigen zu lassen oder beim Führen langsam neben ihnen zu laufen. Wie alle anderen Tiere auch, brauchen Rinder Zeit, um sich die neue Umgebung anzusehen.
Die festliegende Downer-Kuh soll mit Elektrotreibern aufgebracht werden, was aber nicht klappt. Sie brüllt vor Schmerz, bleibt aber trotzdem liegen. Jetzt will man auch, dass wir aufhören zu filmen, man bringt uns zum Parkplatz zurück. Die Leute geben zu, dass es in solchen Fällen besser wäre, das verletzte Tier auf dem Transporter zu betäuben. In der Türkei ist dies nicht üblich und auch nicht vorgeschrieben. Stattdessen fährt der Transporter näher an den Eingang des Schlachthofes, man zieht die verletzte Kuh aus dem Transporter bis zur Tötungsbox und dort wird sie wie alle anderen Tiere am Hinterbein per Kette hochgezogen. Trotz Schmerzen, trotz Verletzung. Wir hören ihr Brüllen noch auf dem Parkplatz, bis es endlich vorbei ist.
Die Situation in allen türkischen Schlachtbetrieben, die uns zugänglich waren, ist grauenhaft. Aber wir dürfen nicht nur kritisieren und uns beschweren; wir müssen ihnen unsere Anliegen deutlich machen, sie beraten und ihnen bei der Umsetzung von Verbesserungen behilflich sein. Ein Großteil des Leidens wird durch Unwissenheit und schlechte Angewohnheiten verursacht. Deshalb möchten wir von den Exporteuren, die mit dem Tierhandel extrem große Profite erwirtschaften, Finanzmittel zur Verfügung gestellt bekommen. Mit diesen Mitteln können wir Verhaltensforscher für Rinder und professionelle Kopfschlächter in die Betriebe entsenden, die die Schlachtprozesse optimieren und die Mitarbeiter dort schulen. Die Trainingsprogramme würden das Leiden der Tiere deutlich reduzieren.