Heute veröffentlicht Eyes on Animals und L214, mit Unterstützung von Ethical Farming Ireland, die Ergebnisse ihrer jüngsten Untersuchungen über den Langstreckentransport von nicht abgesetzten Kälbern. Die im März 2020 durchgeführte Untersuchung zeigt die Notlage der Kälber, die in Irland geboren und in niederländische Kälbermastbetriebe exportiert werden.
Vier verschiedene Länder werden durchquert, 2.000 km zurückgelegt, mehr als 50 Stunden Transport: Diese Ermittlung zeigt die Verantwortungslosigkeit der EU und der Regierungen der Mitgliedstaaten, die entschlossen sind, diesen Handelsweg auch in Zeiten einer Pandemie aufrechtzuerhalten.
In einer Zeit, in der immer mehr Länder mit dem „Lock Down“ abgeriegelt werden und den Menschen gesagt wird, dass sie zu Hause bleiben sollen, werden weiterhin lebende Tiere transportiert, als ob nichts geschehen wäre. Dabei können auch Tiertransporte eine Hauptursache für die weitere Ausbreitung des Coronavirus sein.
Das Virus kann auf der Oberfläche des LKW`s und seinen Bestandteilen sowie den Tieren an Bord existieren und sich auf diese Weise verbreiten. Es kann auch zwischen den verschiedenen, an diesem Handel beteiligten Personen, übertragen werden: von den irischen Landwirten und Händlern, die diese Kälber auf den Viehmärkten verkaufen, über die internationalen LKW-Fahrer, Tierärzte oder Veterinärinspektoren, Zollbeamte, Mitarbeiter der Kontrollstellen in Frankreich bis hin zu den niederländischen Kälbermästern. Diese Kälber werden zu den Betrieben transportiert, wo sie 6 Monate lang gemästet werden. Ihr Transport dient also nicht der Verhinderung einer Lebensmittelknappheit, da diese Kälber noch 6 – 7 Monate lang nicht getötet und zu Fleisch verarbeitet werden. Er ist somit kein lebensnotwendiger Transport und birgt unnötige Risiken für die öffentliche Gesundheit.
Unsere Recherchen zeigten extrem harte Transportbedingungen für diese 2 bis 3 Wochen alten Kälber. Diese sehr jungen Kälber sind durch den langen Transport geschwächt, hungrig und durstig, da es an geeigneten Fütterungssystemen an Bord der Transporter fehlt. Ihnen wird, länger als die EU-Höchstzeit von 19 Stunden, kein angemessenes Futter angeboten. Nachdem die Kälber 26,10 Stunden lang ohne Futter/Milch auf den Lastwagen eingepfercht waren, wie von Eyes on Animals und L214 dokumentiert, werden die nicht abgesetzten Tiere an der Kontrollstelle Couville in der Nähe von Cherbourg entladen, um schließlich gefüttert zu werden. Dies geschieht in großer Eile. Wie man auf dem Videomaterial sehen kann, werden die Kälber während der Fütterung getreten und mit Stöcken geschlagen, um sie schnell durchzuschleusen, da fast 2000 Kälber, die noch wackelig auf den Beinen sind, von nur wenigen Personen versorgt werden müssen. Nach einem 13-stündigen Stopp werden sie wieder auf die Tiertransporter umgeladen und für weitere 900 km in die Niederlande transportiert.
L214, Eyes on Animals and Ethical Farming Ireland, hat zusammen mit 35 anderen internationalen NGOs erst kürzlich einen Brief an die Europäische Kommission gesandt, um diese Forderung zu stellen:
- Ein sofortiges Verbot für den Transport von Tieren, die länger als 8 Stunden unterwegs sind
- Ein sofortiges Verbot von Tiertransporten auf dem Seeweg
- Ein sofortiges Verbot von Tier-Exporten in Drittländer
Lesley Moffat, Direktorin von Eyes on Animals: „Es ist sehr beunruhigend, dass dieser Handelsweg, der seit Jahren gegen die EU-Verordnung über Mindestfütterungszeiten und den humanen Umgang mit nicht abgesetzten Kälbern verstößt, immer noch besteht und keine Verbesserungen erzielt wurden, obwohl wir die Behörden und Interessenvertreter der Industrie auf unsere Bedenken aufmerksam gemacht haben. Noch empörender ist, dass dieser nicht lebenswichtige, rein wirtschaftliche Handel gerade jetzt während einer Pandemie aufrechterhalten wird. Dies zeigt die völlige Verantwortungslosigkeit der EU und der nationalen Behörden sowie der Exporteure/Importeure. Es eine Missachtung des Wohlergehens von Tieren und Menschen“.
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→ Zum Download des Rohmaterials zur Recherche
→ Zur Petition
Anfragen von Journalisten werden beantwortet von:
Lesley Moffat – Englisch: lesley@eyesonanimals.com
Madelaine Looije – Holländisch: madelaine@eyesonanimals.com
Unsere Recherche
Anfang März untersuchten vier Teams von Eyes on Animals und L214 die Transportbedingungen von nicht abgesetzten Kälbern, die in Irland auf Lastwagen verladen, über eine Roll-on-Roll-off-Fähre nach Nordfrankreich und dann weiter über Belgien zu Kälbermastbetrieben in den Niederlanden transportiert wurden. 21 Viehtransporter befanden sich an Bord der Fähre des schwedischen Unternehmens Stena Line, die am Dienstag, dem 3. März 2020, um 22:55 Uhr vom Hafen von Rosslare in Irland abfuhr und am Mittwoch, dem 4. März 2020, um 16:30 Uhr im Hafen von Cherbourg ankam. Die Kälber werden an einem Kontrollposten in Couville, in der Nähe von Cherbourg, entladen und, wie auf dem Filmmaterial zu sehen ist, behandelt. Nach einem 13-stündigen Stopp werden sie wieder in die Transporter verladen. Erst am Freitag, den 6. März um 01:00 Uhr erreichen die Tiere ihren Bestimmungsort, einem Mastbetrieb für Kalbsfleisch im Norden der Niederlande. Sie haben mehr als 2.000 km zurückgelegt und 4 Länder (Irland, Frankreich, Belgien, Niederlande) durchquert, trotz ihres jungen Alters, welches sie besonders anfällig für den Transportstress macht. Sie sind erschöpft, schwach, hungrig und durstig. Einige, die zu schwach zum Stehen sind, müssen unterwegs notgetötet werden.
Dringende Aufforderung an die Europäische Kommission, die Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern
38 europäische Tierschutz-NGOs (u.a. L214, Eyes on Animals und Ethical Farming Ireland) und 42 MEPs haben Mitte März Briefe an die Europäische Kommission geschickt, um die Beamten an die Gesundheitsrisiken zu erinnern, die der Transport lebender Tiere durch verschiedene Länder während einer Pandemie mit sich bringt. Es ist unmöglich sicherzustellen, dass die EU-Gesetzgebung zum Schutz von Tieren beim Transport in diesen Krisenzeiten angemessen kontrolliert, durchgesetzt und aufrechterhalten wird. Schon jetzt fehlt es an Personal, um diese Aufgaben zu erfüllen, und man wird sich derzeit auf andere Prioritäten konzentrieren.
Das Virus kann auf der Oberfläche von LKW und Tieren überleben und auf diese Weise von Punkt A nach Punkt B wandern. Es kann auch zwischen den verschiedenen beteiligten Personen übertragen werden, die an diesem internationalem Handel beteiligt sind: von den irischen Kälberhändlern und Landwirten, die diese Kälber auf den Viehmärkten verkaufen, bis hin zu den internationalen Lastwagenfahrern, Tierärzten und Veterinärinspektoren, Zollbeamten, Mitarbeitern der französischen Kontrollstelle und den niederländischen Kälbermästern.
Heute wird die Situation an den Grenzen, auch innerhalb der Europäischen Union, immer unsicherer und ändert sich täglich, um die Ausbreitung des Virus zu bekämpfen. Lange Verzögerungen führen dazu, dass Tiertransporter stundenlang warten oder umkehren müssen. Auch landwirtschaftliche Nutztiere, die auf Schiffe und Fähren verladen werden, sehen sich mit immer komplizierteren Verfahren konfrontiert: Die Wartezeiten in bestimmten Häfen haben sich verdreifacht. Und was passiert mit den Tieren an Bord, wenn ein Lkw-Fahrer während einer mehrtägigen Exportreise wie dieser von Irland in die Niederlande erkrankt, wenn der Fahrer nicht weiterfahren kann?
Das Wohlergehen und die Gesundheit der Tiere während des Transports geben auch zu „normalen Zeiten“ Anlass zu ernster Besorgnis. Sie werden jetzt noch weiter verschlechtert durch die Verantwortungslosigkeit der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten, die während einer Pandemie weiterhin Langstreckenexporte von lebenden Tieren unterstützen.
Eyes on Animals, L214 und Ethical Farming Ireland schließen sich voll und ganz den Aussagen in dem Brief von 38 NGOs und 42 Parlamentsmitgliedern an und bestehen darauf, dass die Europäische Kommission:
- alles in ihrer Macht Stehende tut, um alle Langstreckentransporte von Tieren (über 8 Stunden) sofort zu stoppen
- alles in ihrer Macht Stehende tut, um alle Tiertransporte auf dem Seeweg sofort zu stoppen
- alles in ihrer Macht Stehende tut, um die Ausfuhr von Tieren aus der EU in Drittländer sofort zu stoppen.
Bitte unterschreiben Sie die Petition von Eyes on Animals und L214
Der Handel mit nicht abgesetzten Kälbern in Europaves in Europe
In Irland gibt es fast so viele Rinder wie Menschen. Im Jahr 2019 exportierte Irland über 200.000 nicht entwöhnte Kälber, hauptsächlich nach Spanien und in die Niederlande. Ebenfalls im letzten Jahr wurden mehr als 1.300.000 nicht entwöhnte Kälber zwischen europäischen Ländern transportiert. Die meisten verlassen Deutschland, Frankreich, Polen oder Irland, um vor allem in den Niederlanden, Italien oder Spanien gemästet zu werden.
Versorgungsstation Couville, in der Nähe von Cherbourg (Frankreich)
In der Gemeinde Couville in der Nähe von Cherbourg gibt es eine von der EU zugelassene Versorgungsstation, an der Kälber auf Langstreckentransporten entladen werden können, um gefüttert zu werden und sich auszuruhen.
Die Station hat eine Kapazität von 2000 nicht abgesetzten Kälbern oder 300 erwachsenen Rindern. Sie ist 24 Stunden am Tag geöffnet. Film und Fotoaufnahmen, welche dieses Jahr gemacht wurden, zeigen die Misshandlungen, die dort stattfinden. Die Betreiber sind stets unter Zeitdruck und hetzen die Kälber, um sie mit Milch zu füttern. Verzweifelt und hungrig versuchen die Kälber so lange wie möglich nach einer Zitze zu greifen, bis ein Arbeiter kommt und mit Stöcken auf sie einschlägt, um sie zum Weitergehen zu bewegen. Einige Mitarbeiter treten die Kälber sogar mit Füßen und schlagen ihnen auf den Kopf, damit sie sich schneller fortbewegen. Ein Kalb, welches nicht stehen kann, wird an den Beinen gezogen.
Während unserer Recherchen bezüglich dieser Handelsroute im letzten Jahr, haben wir noch schlimmere körperliche Misshandlungen von Kälbern an der Versorgungsstelle des Konkurrenten in Tollevast bei Cherbourg, Qualivia, festgestellt. Hier wurden Kälber wiederholt auf den Kopf geschlagen und getreten und sogar auf Ihnen herumgetrampelt. Unnötig grobe Behandlung existieren an dieser Versorgungsstation, an der Tausende von Jungtieren, die noch wackelig auf den Beinen sind, zur Fütterung in großer Eile durchgeschleust werden.
→ Sehen sie hier unseren Film zu unseren Einsätzen 2019
Die Hölle der Kälbermast
Die Niederlande haben die höchste Kälberdichte der Welt. Und sie sind die Pioniere der intensiven Kalbfleischindustrie. Die Kälber werden auf Spaltenböden (ohne Einstreu) in kleinen Einzelbuchten gehalten. Abgesehen davon, dass sie sich kaum bewegen können, werden die Kälber ausschließlich im Stall gehalten. Niederländische Kälbermastbetriebe sind sehr spezialisiert. Die ersten holländischen Kälbermäster begannen mit der Mast der unerwünschten Kälber aus der eigenen nationalen Milchindustrie, aber bald schon wurden sie so effizient in der kostengünstigen Produktion von Kalbfleisch, dass sie schnell begannen, nicht abgesetzte Kälber aus ganz Europa zu importieren.
Die Niederländer haben viele eigene Kälber aus ihren mächtigen Milchbetrieben, aber zusätzlich importierten sie im Jahr 2019 717.134 unabgesetzte Kälber, hauptsächlich aus Deutschland, Belgien und Irland. Nachdem sie 6-7 Monate lang für die Kalbfleischproduktion aufgezogen werden, werden die Kälber geschlachtet und exportiert. 95% des gewonnenen Kalbfleisches werden exportiert, davon 80% nach Italien, Frankreich und Deutschland.
Der Tiertransporter, der von unserem L214 und Eyes on Animals Team von Cherbourg bis in den Norden der Niederlande verfolgt wurde, lieferte knapp 300 irische Kälber an eine dieser Kalbfleischfabriken. Der Besitzer erklärt auf seiner Website, dass sein Kalbfleisch von den französischen und italienischen Verbrauchern besonders geschätzt wird.
Kalbfleisch, ein Nebenprodukt der Milchindustrie
Größtenteils stammen die für die Kälbermast gemästeten Kälber aus der Milchindustrie. Die Milchindustrie betrachtet sie als „Abfall“ oder „Nebenprodukte“, denn um Milch zu produzieren, muss eine Milchkuh jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen, diese Kälber werden nicht benötigt. Nur eine Minderheit der neugeborenen weiblichen Kälber wird gehalten, um die Herde zu erneuern, die Milchbauern entledigen sich aller anderen (männlichen und weiblichen).
Die Kälber, gewöhnlich im Alter von 8 Tagen, aber manchmal bis zu 3 Wochen alt, werden vom Milchbauern entsorgt und für ein paar Dutzend Euro an die Kälbermäster verkauft (etwa 60 bis 140 Euro, durchschnittlich 89 Euro in der Europäischen Union).